Frühlingskonzert 2018

Jugendkonzertchor Bonn und Arcomelos

Es war ein sehr ungewöhnliches Zusammentreffen, als am 21. und 22. April 2018 der Jugendkonzertchor Bonn zusammen mit erstklassigen MusikerInnen der europäischen Barockszene des erweiterten Ensembles Arcomelos Konzerte gab, in deren Mittelpunkt dann aber eine zeitgenössische Mess-Komposition des Ensembleleiters Prof. Richard Gwilt stand. Richard Gwilt, Professor für Barockvioline an der Kölner Musikhochschule, und Irmgard Schaller, die Solistin in Vivaldis „Frühling“, spielen beide seit vielen Jahren in führenden Barockensembles Europas (London Baroque, Anima Aeterna…).

Etwa ein Dreivierteljahr arbeitete der Chor an der komplexen und musikalisch wie stimmlich anspruchsvollen Partitur der Komposition, die dann neben Madrigalen und Instrumentalwerken des 16. bis frühen 18. Jahrhunderts erklang. Die Partitur der „Missa“ von Richard Gwilt ist ein Text im eigentlichen Sinne des Wortes: Ein „Gewebe“. Jeweils auf den Sinn der Worte unmittelbaren Bezug nehmend realisiert sie zugleich ein Netz von musikalischen Beziehungen, melodischen, rhythmischen und harmonischen, das sich kunstvoll über alle Sätze erstreckt und so der textbedingten Heterogenität oder Ideenvielfalt musikalisch stark einheitsstiftende Elemente entgegensetzt. Die Musik ist im besten Sinne „Dienerin des Textes“, sie bringt seine Affekte zum Ausdruck, sie legt Bedeutungen und Deutungen nahe. Und zugleich entwickelt sie sich durch stark innermusikalische Gestaltungskräfte zu einem rein-musikalisch Ganzen, das man symphonisch nennen könnte.

Erstmals musizierten die Mädchen und jungen Frauen des Chores in einem Konzert als Frauenchor und begeisterten das Publikum mit ihrem glasklaren Chorklang im impressionistischen Sanctus und Agnus Dei von André Caplet.

Das zahlreiche Publikum in der Zentrifuge Bonn und der Christuskirche Bad Godesberg zeigte durch langen und herzlichen Applaus im Stehen große Wertschätzung und Begeisterung für die gemeinsame Leistung der jungen SängerInnen und des hervorragend besetzten Instrumentalensembles.

„Ich war höchst beeindruckt und berührt, wie ich zur ersten Probe meiner Messe kam und merkte, dass Thomas Busch und der Jugendkonzertchor Bonn mein Stück gelernt haben – dass dieses Stück ein Leben hat außerhalb meines Kopfes – und das andere Leute das Stück kennen als ein Wesen!  Sie haben das mit so viel Leidenschaft und Überzeugung gesungen – und Thomas mit so viel Einsicht und Inspiration dirigiert. Wunderbar.“

Richard Gwilt, Prof. für Barockvioline an der Musikhochschule Köln, Komponist, Geiger und Bratscher von London Baroque, über die Uraufführung seiner „Missa“ im April 2018 durch den Jugendkonzertchor Bonn und das Ensemble Arcomelos.

Konzertinformationen, Teil 1 (PDF)

Konzertinformationen, Teil 2 (PDF)

G.F. Händel, Messias

Händel wie zu Bachs Zeiten

Sommer 2019 – G. F. Händel: Messias

Konzertmitschnitt 23.08.2019, Herz-Jesu-Basilika Krakau. (Auszüge)

All we like sheep
Let us break their bonds asunder
Lift up your heads
Halleluja

Wer kennt es nicht – das Halleluja. Aber nicht nur das: Beim erneuten Studium der Partitur, insbesondere der Chöre des Messias, wieder einmal das – altbekannte – Staunen: Da jagt ein inspirierter Chor den anderen: Kein Leerlauf, keine langatmigen musikalischen Ausführungen, immer betörend schöne und einfallsreiche Melodien, gekonnter Kontrapunkt, geschliffene Rhetorik, wohlkalkulierte Tektonik und Form, rauschende homophone Höhepunkte, bei denen der Chor wie mit einer Stimme singt und die in ihrer mitreißenden Leidenschaft schon auf Carl Philipp Emanuel Bach oder gar Beethoven verweisen.

Kein Wunder, dass Chöre den Messias lieben und er eines der am häufigsten aufgeführten Oratorien ist.

Das waren noch Zeiten: Da schenkt ein sehr erfolgreicher und wohlhabender Musiker der Kapelle eines Londoner Waisenhauses eine Orgel! Zur Einweihung der Orgel wird er gebeten, ein großes Vokalkonzert zu geben und er entscheidet sich für „seinen“ Messias, der bis dato zwar bei seiner Dubliner Uraufführung 1742 einen wahren Triumph erlebte, in London hingegen seit 1743 auf wohlwollende, aber doch mäßige Resonanz stieß.

Erst das Londoner „Orgelweihe-Konzert“ vom 01.05.1750 geriet zu einem sensationellen Erfolg, der den von Dublin noch übertraf, und begründete die Tradition der alljährlichen Aufführung des Messias in der Chapel des Londoner Foundling Hospitals, die bis heute gepflegt wird. (Der reiche Erlös der ersten Dubliner Aufführung war an drei karitative Einrichtungen gegangen; u. a. an eine Organisation ehemaliger Gefangener.)

Das dritte Messias-Konzert mit dem Jugendkonzertchor Bonn im Netzwerk Ludwig van B. unter der Leitung von Thomas Busch stand wie die Londoner Aufführung von 1750 ebenfalls im Rahmen von Orgelweihefestlichkeiten und Konzerten: Die ev. Christuskirche Bad Godesberg besitzt seit Pfingsten 2019 eine neue Orgel des Orgelbauers Claudius Winterhalter, die nach den ersten Konzerten bereits von namhaften Orgelvirtuosen hoch gelobt wird.

Ausgerechnet Messias – so viel Leidensgeschichte zu einem feierlichen Festakt? Sicher hätte Händel, und wohl auch sein Librettist Charles Jennens den Worten des Schriftstellers und Philosophen Karl-Heinz Ott zugestimmt, der in seinem Händelbuch mit dem wunderbaren Titel „Tumult und Grazie“ schreibt, „… so steht dort zwar der Messias im Mittelpunkt, … jedoch der Eindruck entsteht, als gehe es bei diesen bunt zusammengewürfelten Bibelversen nicht weniger um die Pracht der irdischen Welt, die – mit Schelling zu sprechen – umso heller erstrahlt, je finsterer die Mächte des Bösen sind. Entsprechend dient das Martyrium in erster Linie der Voraussetzung des Hallelujah.“

In aufführungspraktischer Hinsicht orientierte sich der Jugendkonzertchor Bonn mit seinen etwa 30 jugendlichen SängerInnen (zwischen 11 und 26 Jahren) in den Krakauer und Bonner Aufführungen des Messias eher an der Besetzung der Uraufführung in Dublin: Mit 20 SängerInnen hatte Händel selber den Messias in Dublin aus der Taufe gehoben, während bei einer Aufführung im Rahmen des „Commemoration Festival“ 1859 zum 100. Todestag des Komponisten 2765 SängerInnen und 480 OrchestermusikerInnen mitgewirkt haben sollen.

Auch das ambitionierte Krakauer Barockensemble Cornu Copiae spielte unter seiner Konzertmeisterin Karolina Habało in kleiner Besetzung und auf Originalinstrumenten bzw. deren Nachbauten. Der Klang dieser Instrumente verbindet sich auf ideale Weise mit dem lebendigen, hellen und gleichsam schwerelosen Klang der jungen Stimmen des Chores – eine Erfahrung, die der Leiter und Dirigent der Aufführungen, Thomas Busch, bereits in vielen ähnlich besetzten Aufführungen in Norddeutschland, Polen und in den USA machen konnte.

Tamás Tarjányi, der Tenor der Messias-Aufführungen ist vielen Bonnern als Tenor der Bonner Oper in guter und lieber Erinnerung. Er setzte seine Bonner Karriere an der Münchener Staatsoper fort und lebt (und singt) heute wieder in Budapest. 2013 lernte er den Jugendkonzertchor Bonn bei dessen Gründungsprojekt „Dido and Aeneas“ in der Bonner Oper kennen und schätzen und kam für das gemeinsame Messias-Projekt gerne nach Bonn zurück