G.F. Händel, Messias

Händel wie zu Bachs Zeiten

Sommer 2019 – G. F. Händel: Messias

Konzertmitschnitt 23.08.2019, Herz-Jesu-Basilika Krakau. (Auszüge)

All we like sheep
Let us break their bonds asunder
Lift up your heads
Halleluja

Wer kennt es nicht – das Halleluja. Aber nicht nur das: Beim erneuten Studium der Partitur, insbesondere der Chöre des Messias, wieder einmal das – altbekannte – Staunen: Da jagt ein inspirierter Chor den anderen: Kein Leerlauf, keine langatmigen musikalischen Ausführungen, immer betörend schöne und einfallsreiche Melodien, gekonnter Kontrapunkt, geschliffene Rhetorik, wohlkalkulierte Tektonik und Form, rauschende homophone Höhepunkte, bei denen der Chor wie mit einer Stimme singt und die in ihrer mitreißenden Leidenschaft schon auf Carl Philipp Emanuel Bach oder gar Beethoven verweisen.

Kein Wunder, dass Chöre den Messias lieben und er eines der am häufigsten aufgeführten Oratorien ist.

Das waren noch Zeiten: Da schenkt ein sehr erfolgreicher und wohlhabender Musiker der Kapelle eines Londoner Waisenhauses eine Orgel! Zur Einweihung der Orgel wird er gebeten, ein großes Vokalkonzert zu geben und er entscheidet sich für „seinen“ Messias, der bis dato zwar bei seiner Dubliner Uraufführung 1742 einen wahren Triumph erlebte, in London hingegen seit 1743 auf wohlwollende, aber doch mäßige Resonanz stieß.

Erst das Londoner „Orgelweihe-Konzert“ vom 01.05.1750 geriet zu einem sensationellen Erfolg, der den von Dublin noch übertraf, und begründete die Tradition der alljährlichen Aufführung des Messias in der Chapel des Londoner Foundling Hospitals, die bis heute gepflegt wird. (Der reiche Erlös der ersten Dubliner Aufführung war an drei karitative Einrichtungen gegangen; u. a. an eine Organisation ehemaliger Gefangener.)

Das dritte Messias-Konzert mit dem Jugendkonzertchor Bonn im Netzwerk Ludwig van B. unter der Leitung von Thomas Busch stand wie die Londoner Aufführung von 1750 ebenfalls im Rahmen von Orgelweihefestlichkeiten und Konzerten: Die ev. Christuskirche Bad Godesberg besitzt seit Pfingsten 2019 eine neue Orgel des Orgelbauers Claudius Winterhalter, die nach den ersten Konzerten bereits von namhaften Orgelvirtuosen hoch gelobt wird.

Ausgerechnet Messias – so viel Leidensgeschichte zu einem feierlichen Festakt? Sicher hätte Händel, und wohl auch sein Librettist Charles Jennens den Worten des Schriftstellers und Philosophen Karl-Heinz Ott zugestimmt, der in seinem Händelbuch mit dem wunderbaren Titel „Tumult und Grazie“ schreibt, „… so steht dort zwar der Messias im Mittelpunkt, … jedoch der Eindruck entsteht, als gehe es bei diesen bunt zusammengewürfelten Bibelversen nicht weniger um die Pracht der irdischen Welt, die – mit Schelling zu sprechen – umso heller erstrahlt, je finsterer die Mächte des Bösen sind. Entsprechend dient das Martyrium in erster Linie der Voraussetzung des Hallelujah.“

In aufführungspraktischer Hinsicht orientierte sich der Jugendkonzertchor Bonn mit seinen etwa 30 jugendlichen SängerInnen (zwischen 11 und 26 Jahren) in den Krakauer und Bonner Aufführungen des Messias eher an der Besetzung der Uraufführung in Dublin: Mit 20 SängerInnen hatte Händel selber den Messias in Dublin aus der Taufe gehoben, während bei einer Aufführung im Rahmen des „Commemoration Festival“ 1859 zum 100. Todestag des Komponisten 2765 SängerInnen und 480 OrchestermusikerInnen mitgewirkt haben sollen.

Auch das ambitionierte Krakauer Barockensemble Cornu Copiae spielte unter seiner Konzertmeisterin Karolina Habało in kleiner Besetzung und auf Originalinstrumenten bzw. deren Nachbauten. Der Klang dieser Instrumente verbindet sich auf ideale Weise mit dem lebendigen, hellen und gleichsam schwerelosen Klang der jungen Stimmen des Chores – eine Erfahrung, die der Leiter und Dirigent der Aufführungen, Thomas Busch, bereits in vielen ähnlich besetzten Aufführungen in Norddeutschland, Polen und in den USA machen konnte.

Tamás Tarjányi, der Tenor der Messias-Aufführungen ist vielen Bonnern als Tenor der Bonner Oper in guter und lieber Erinnerung. Er setzte seine Bonner Karriere an der Münchener Staatsoper fort und lebt (und singt) heute wieder in Budapest. 2013 lernte er den Jugendkonzertchor Bonn bei dessen Gründungsprojekt „Dido and Aeneas“ in der Bonner Oper kennen und schätzen und kam für das gemeinsame Messias-Projekt gerne nach Bonn zurück